Teil 3 der Serie „Missverständnisse aus der Welt geschafft!“
Sicherheit ist unbezahlbar! Das bedeutet aber nicht, dass sie kostspielig sein muss. Welche typischen Missverständnisse vorherrschen und warum es sich immer lohnt, genau zu hinterfragen, erklären wir in der Serie „Missverständnisse aus der Welt geschafft“. Direkt aus der Praxis berichtet, räumen wir mit Mythen auf und konzentrieren uns auf die Fakten.
Ein Kunde gab uns den Auftrag, seine Risikobeurteilung zu überprüfen und an kniffligen Stellen Vorschläge zur Risikominderung beizusteuern. Hierzu nutzte der Kunde ein Softwaretool, das den Gefahrenstellen eine Risikokennzahl zwischen 0 und 10 zuordnete. Dazu muss man wissen: Hier erlaubt die DIN EN ISO 12100 eine gewisse Freiheit in der Klassifizierung der Risiken. Das Pilz Hazard Rating (PHR) beispielsweise differenziert mit einer Skala bis 9.750 deutlich feiner – Ziel und Zweck sind jedoch identisch.
An einer besonders anspruchsvollen Gefahrenstelle lag der Wert ursprünglich bei 8, nach zwei Iterationen der Risikominderung dann nur noch bei 2. Weitere angedachte konstruktive und technische Schutzmaßnahmen erwiesen sich als unpraktikabel oder sogar als Ursache neuer Gefährdungen, sie schieden also allesamt aus. Der Kunde war hiermit nicht so recht glücklich, herrschte doch die allgemeine Überzeugung, dass man nur dann, wenn der Wert auf 0 gedrückt werde, die Maschine guten Gewissens in den Markt bringen könne.
Aus der Praxis kann ich berichten: Eine 0 ist quasi unmöglich. Maschinen sind teils mehr, teils minder gefährliche Apparaturen, an denen immer auch Restrisiken bestehen werden, wenn sie denn ihren Zweck erfüllen sollen.
Es geht also für Maschinenbauer gar nicht darum, ihre Erzeugnisse absolut sicher zu machen, sondern auf einem nachvollziehbaren, dokumentierten Weg dafür zu sorgen, dass ihre Maschinen so sicher wie möglich sind. Eventuelle Restrisiken müssen hierbei auf ein vertretbares Mindestmaß reduziert werden – vertretbar vor dem eigenen Gewissen, aber auch vor dem Gesetz. Gleiches gilt für die Dokumentation eben jener Restrisiken. Auf diese können sich Bediener nur einstellen, wenn sie in der Bedienungsanleitung ordentlich dokumentiert sind und zum Beispiel durch entsprechende Warnhinweise an der Maschine auf sie aufmerksam gemacht wird. Hierzu gehört auch eine Empfehlung für die notwendige Qualifikation des Bedienpersonals und die zu tragende persönliche Schutzausrüstung (PSA). Ob dem beim Betreiber nachgekommen wird, liegt dann nicht mehr in der Verantwortung des Maschinenbauers.
Kommen wir auf das eingangs erwähnte Kundenbeispiel zurück: Wenn ich dokumentiert von einem Risiko 8 auf ein Risiko 2 komme und danach noch den Betreiber auf die nicht minderbaren Risiken hingewiesen habe, habe ich einen ordentlichen Job gemacht! Auch ohne die 0.
Zu guter Letzt sei noch angemerkt, dass solche Warnhinweise oder Empfehlungen zur Ausbildung und PSA der Bediener immer nur der dritte und letzte Schritt auf dem Weg zur (möglichst) sicheren Maschine sein dürfen, wie die 3‑Stufen-Methode aus der Maschinenrichtlinie klar vorgibt. Eine Abkürzung direkt über Stufe 3 wird zwar gelegentlich gerne genommen, ist aber nicht zulässig.
Aus der Praxis für die Praxis
Sascha Brengmann ist bei Pilz im technischen Systemvertrieb der Vertriebsregion West tätig. Für die Serie „Missverständnisse aus der Welt geschafft“ berichtet er aus seinem Praxisalltag. Er nimmt dabei die typischen Fragestellungen seiner Kunden unter die Lupe und löst klassische Missverständnisse auf.