Im Interview mit Sandy Meininghaus, Berater Maschinensicherheit/Team Manager Consulting Services Nord
Was versteht man unter der Gebrauchsdauer von Maschinen und Anlagen?
Die Gebrauchsdauer ist im Prinzip die Lebenszeit einer Maschine oder Anlage. Diese ist allerdings unabhängig von ihrer reinen Funktionsfähigkeit, vielmehr müssen die geltenden Normen, Richtlinien und/oder Herstellerangaben betrachtet werden. Dort ist die Zeitspanne geregelt, in der eine Maschine verwendet werden darf.
Welche Normen und Richtlinien kommen hierbei zur Anwendung?
Zur Erfüllung der Mindestanforderungen nach der Maschinenrichtlinie werden heutzutage die sicherheitsbezogenen Teile von Steuerungen gemäß der EN ISO 13849–1 und ‑2 ausgelegt. Die beiden Normen wurden im September 2009 erstmalig im Amtsblatt der EU zur Maschinenrichtlinie veröffentlicht. Bis einschließlich 31.12.2011 gab es eine Übergangsfrist der ersetzten Norm EN 954–1. Seit dem 01.01.2012 besitzen ausschließlich die Teile 1 und 2 der EN ISO 13849 eine Vermutungswirkung. Da wir es beim Thema Gebrauchsdauer jedoch meist mit älteren Maschinen zu tun haben, muss für Maschinen, die vor dem 08.09.2009 in Verkehr gebracht wurden, die EN 954–1 zurate gezogen werden. Von September 2009 bis Dezember 2011 können sowohl die EN 954–1 als auch die Normenreihe EN ISO 13849 herangezogen werden.
Wie lange können Maschinen und Anlagen grundsätzlich eingesetzt werden?
Es ist immer eine Einzelfallbetrachtung notwendig. Grundsätzlich kann man jedoch drei Fallbeispiele unterscheiden. Der einfachste Fall beschreibt eine Anlage, die vor 2012 erstmalig in Verkehr gebracht wurde und an der keine größeren Modifikationen oder Umbauten vorgenommen wurden. Die sicherheitsbezogenen Teile der Steuerung wurden nach damalig geltender Normenlage gemäß EN 954–1 ausgelegt. Die EN 954–1 definiert keine maximale Gebrauchsdauer, jedoch muss der Betreiber gemäß Betriebssicherheitsverordnung sicherstellen, dass geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden und funktionsfähig sind. Er muss sicherstellen, dass eine Gefährdungsbeurteilung vorliegt und dass die relevanten Schutzmaßnahmen ordentlich dokumentiert sind, beispielsweise durch ein Sicherheitskonzept, eine Beschreibung der relevanten Sicherheitsfunktionen oder eine Abschaltmatrix. Zudem sollte es eine dokumentierte Prüfung der Sicherheitsfunktionen hinsichtlich ihres Vorhandenseins und ihrer Funktionsfähigkeit geben. Sind diese Punkte erfüllt und liegen keine anderweitigen Vorgaben zur Gebrauchsdauer des Herstellers vor, kann das Arbeitsmittel weiter betrieben werden.
Und was ist, wenn Umbauten oder Modifikationen vorgenommen worden sind?
Dann sind wir schon beim zweiten Fall. Sicherheitsbezogene Teile, die seit dem Inverkehrbringen nicht verändert wurden, unterliegen weiterhin der EN 954–1, wobei veränderte Teile den Anforderungen der EN ISO 13849–1 entsprechen. Während die EN 954–1 keine maximale Gebrauchsdauer vorsieht, wird bei der EN ISO 13849–1 von 20 Jahren ausgegangen. Bei der Kombination der Normen muss gewährleistet werden, dass die gesamte Sicherheitsfunktion der neuen bzw. veränderten Teile dem geforderten Performance Level entspricht. Eine Verlängerung der Laufzeit von verschleißbehafteten Bauteilen über 20 Jahren hinaus ist nur nach Rücksprache mit dem Hersteller möglich.
Und wie sieht es mit Anlagen aus, die nach 2012 in Verkehr gebracht wurden?
Hier gilt die aktuelle Normenlage. Das bedeutet, die sicherheitsbezogenen Teile der Steuerung wurden ausschließlich nach EN ISO 13849 ausgelegt. Wurden keine vorzeitigen Verschleißgrenzen definiert, können die sicherheitsbezogenen Teile der Maschine nach dem erstmaligen Inverkehrbringen 20 Jahre lang verwendet werden.
Kann die Gebrauchsdauer verlängert werden?
Ein Weiterbetrieb der Maschinen nach Erreichen der Gebrauchsdauer ist grundsätzlich möglich, jedoch liegt das vollumfänglich in der Verantwortung des Betreibers.