Eine kleine Geschichte der Maschi­nen­si­cher­heit

Sicher­heit am Arbeits­platz ist bis heute in vielen Teilen der Welt keine Selbst­ver­ständ­lich­keit. Doch in immer mehr Ländern setzt sich die Erkenntnis durch, dass sich Maschi­nen­si­cher­heit lohnt – für Mensch und Maschine.


Deutsch­land

Zu Beginn der Indus­tria­li­sie­rung lag das Haupt­au­gen­merk bei Maschinen auf der Produk­ti­vität. Ab der Mitte des 19. Jahr­hun­derts rückte die Sicher­heit in das Bewusst­sein. In Deutsch­land etwa führten Unfälle beim Betrieb von Dampf­kes­seln 1866 zur Grün­dung eines Über­wa­chungs­ver­eins, dem Vorläufer des TÜV.

Korea

Korea verzeich­nete durch die zuneh­mende Indus­tria­li­sie­rung ab den 1960er-Jahren ein rasantes Wirt­schafts­wachstum, aber leider auch eine Zunahme an Arbeits­un­fällen. Die Regie­rung handelte und seit Anfang der 80er-Jahre gibt es das KCs-Zeichen (Korea Certi­fi­ca­tion) der Regie­rungs­be­hörde KOSHA (Korean Occu­pa­tional Safety and Health Admi­nis­tra­tion), das anzeigt, dass eine Maschine sicher ist.

Brasi­lien

In Brasi­lien gibt es seit den 70er-Jahren ein natio­nales Gesetz, das Mindest­si­cher­heits­an­for­de­rungen für Maschinen und (Maschinen-) Ausrüs­tungen fordert: Aber erst mit der letzten Über­ar­bei­tung 2010 erlangte die NR-12 einen verbind­li­cheren Charakter. In diesem Zuge erfolgte eine Anpas­sung an die euro­päi­sche Maschi­nen­richt­linie. NR-12 wird daher auch „brasi­lia­ni­sche Maschi­nen­richt­linie“ genannt.

USA

1894 wurde in den USA die Under­wri­ters Labo­ra­to­ries (UL) gegründet. Ursprüng­liche Aufgabe: Brand­ri­siken durch ein elek­tri­sches Prüf­labor bewerten. In den USA sind insbe­son­dere Produkt­stan­dards, Brand­schutz­vor­schriften („Fire Codes“), elek­tri­sche Richt­li­nien und natio­nale Gesetze rele­vant. Die Occu­pa­tional Safety and Health Admi­nis­tra­tion (OSHA) regelt die Sicher­heit am Arbeits­platz.

China

In China ist die State Admi­nis­tra­tion of Work Safety für die Fest­le­gung und Über­wa­chung von Arbeits­schutz­maß­nahmen zuständig. Für Maschinen und Anlagen werden chine­si­sche Maschi­nen­si­cher­heits­normen heran­ge­zogen. Seit 2002 gibt es ein eigenes Zerti­fi­zie­rungs­system – Chinese Compul­sory Certi­fi­cate (CCC). Fehlen Normen, werden teil­weise mit der Maschi­nen­richt­linie harmo­ni­sierte EN-Normen in natio­nale Normen über­führt.

Indien

Die indi­schen Normen (IS) sind noch im Entwurfs­sta­dium. Das zustän­dige Büro hat fast 60 Normen fest­ge­legt, die auf ISO-Normen basieren. Sie werden schritt­weise einge­führt. Zwei Dinge tragen dazu bei: Indi­sche Maschi­nen­bauer möchten ihre Anlagen vermehrt expor­tieren, und globale Konzerne, die Produk­ti­ons­stätten in Indien betreiben, tragen mit unter­neh­mens­ei­genen Stan­dards den Sicher­heits­ge­danken stärker ins Land.

Europa

Auch in Europa liegt die Geburts­stunde der modernen Maschi­nen­si­cher­heit keine 40 Jahre zurück. 1989 wurde die Ände­rung der Maschi­nen­richt­linie herbei­ge­führt. Ab da war die Maschi­nen­si­cher­heit verbind­lich umzu­setzen. Mit dem CE-Zeichen („Commun­auté Euro­pé­enne“) verse­hene Produkte dürfen ohne Rück­sicht auf natio­nale Vorschriften einge­führt und vertrieben werden. Man spricht daher auch vom „Reise­pass für Europa“.

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Pilz setzt sich in vielen Ländern als Botschafter der Sicher­heit aktiv ein – beispiels­weise durch Schu­lungen, die Bera­tung von Behörden und Verbänden oder die Mitar­beit in Normen­gre­mien. Kunden von Pilz profi­tieren von diesem Sach­ver­stand: Pilz bietet ihnen umfas­sende und auf die indi­vi­du­ellen Anfor­de­rungen ihres Unter­neh­mens abge­stimmte Sicher­heits­leis­tungen entlang des gesamten Maschi­nen­le­bens­zy­klus. Die Pilz Toch­ter­ge­sell­schaften in den jewei­ligen Ländern unter­stützen die Kunden bei den entspre­chenden Konfor­mi­täts­er­klä­rungen und stellen den Zugang zu den lokalen Märkten sicher.

Maschi­nen­si­cher­heit welt­weit – so geht es weiter

Auch in Europa bleibt Maschi­nen­si­cher­heit eine immer­wäh­rende Aufgabe: Gerade wurde die EU-Maschi­nen­ver­ord­nung, Nach­fol­gerin der EU-Maschi­nen­richt­linie, veröf­fent­licht. Sie stellt sich auf die verän­derten Anfor­de­rungen ein, z. B. mit Blick auf Security, und gibt mehr Hilfe­stel­lung bei der Umset­zung. Welt­weit wird also die Erfolgs­ge­schichte der Maschi­nen­si­cher­heit fort­ge­schrieben.

Die neue EU-Maschi­nen­ver­ord­nung

Die neue Maschi­nen­ver­ord­nung (EU) 2023/1230 wurde am 29. Juni 2023 im Amts­blatt der Euro­päi­schen Union veröf­fent­licht. Sie trat 20 Tage nach ihrer Veröf­fent­li­chung im Amts­blatt in allen Mitglieds­län­dern der EU in Kraft. Maschi­nen­her­steller haben 42 Monate Zeit, die neuen Anfor­de­rungen an Maschinen und Anlagen zu erfüllen. Somit wird die MVO im Januar 2027 endgültig verbind­lich (Stich­tags­re­ge­lung).

Die wich­tigsten Ände­rungen im Über­blick

Beson­ders gefähr­liche Maschinen

Die neue Maschi­nen­ver­ord­nung (EU) 2023/1230 listet unter Anhang I, Part A (in der Maschi­nen­richt­linie war dies bisher unter Anhang IV zu finden) sechs Maschi­nen­ka­te­go­rien unter „poten­ti­ally high risk machi­nery“ auf – u. a. mit Bezug zur künst­li­chen Intel­li­genz –, deren Konfor­mität in Verbin­dung mit einer harmo­ni­sierten Norm die Maschi­nen­her­steller nicht mehr wie bisher selbst erklären können. In Zukunft muss dafür eine benannte Stelle hinzu­ge­zogen werden.

Für Maschi­nen­ka­te­go­rien, die in Part B gelistet sind, kann jedoch weiterhin mithilfe der internen Ferti­gungs­kon­trolle in Kombi­na­tion mit einer harmo­ni­sierten Norm die Konfor­mität mit der Maschi­nen­ver­ord­nung erklärt werden.

Wesent­liche Verän­de­rung

Die Verord­nung wurde um Begriffs­be­stim­mungen zur Defi­ni­tion einer wesent­li­chen Verän­de­rung von Maschinen erwei­tert. Ein erneutes Konfor­mi­täts­be­wer­tungs­ver­fahren ist für die Sicher­heit von Maschinen immer dann erfor­der­lich, wenn eine Maschine tief­grei­fend tech­nisch verän­dert wird. Dabei wird in Kapitel 2, Artikel 18 klar­ge­stellt, dass dieje­nige Person, die eine Maschine wesent­lich verän­dert, alle Herstel­ler­pflichten zu erfüllen hat.

Digi­tale Betriebs­an­lei­tung

Die Liefe­rung der Betriebs­an­lei­tung in digi­taler Form ist jetzt zuge­lassen. Auf Wunsch des Kunden ist der Hersteller verpflichtet, die Betriebs­an­lei­tung in Papier­form zur Verfü­gung zu stellen (Anhang III, 1.7.4). Zudem wurde eine verbind­liche Kenn­zeich­nung an der Maschine und in den Begleit­un­ter­lagen mit Hinweis auf die digitale(n) Zugriffsmöglichkeit(en) einge­führt. Daneben wurde auch eine digi­tale EU-Konfor­mi­täts­er­klä­rung zuge­lassen. Unvoll­stän­dige Maschinen dürfen eben­falls mit digi­taler Monta­ge­an­lei­tung und digi­taler Einbau­er­klä­rung gelie­fert werden.

Indus­trial Security

Inner­halb der grund­le­genden Sicher­heits- und Gesund­heits­schutz­an­for­de­rungen in Anhang III stellt die Maschi­nen­ver­ord­nung neue Anfor­de­rungen an die Cyber Security unter 1.1.9 „Protec­tion against corrup­tion“. Bedro­hungen durch Cyber Security dürfen die Sicher­heits­funk­tionen der Maschine nicht beein­träch­tigen. So wird die Indus­trial Security verpflich­tendes Element für die Sicher­heit von Maschinen und ist nicht länger nur Ausle­gungs­sache des Inver­kehr­brin­gers der Maschine. Hersteller werden ihre bestehenden Security-Konzepte dies­be­züg­lich über­ar­beiten müssen.


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