Wer darf eigentlich was? Martin Mielke, Vertriebsingenieur der Pilz Vertriebs- und Servicegesellschaft Deutschland, erläutert im Gespräch, warum mit einer kleinen technologischen Lösung für Safety und Industrial Security ein großer Unterschied für die Produktivität von Maschinen und Anlagen erreicht werden kann.
Martin Mielke, gehört die elektronische Zugangsberechtigung am Markt bereits zum klassischen Maschinenbau?
Für die meisten unserer Kunden ist das Thema Zugangsberechtigung immer noch ein neues Thema. Vielen ist nicht bewusst, welche Vorteile sie durch ein elektronisches Zugangsberechtigungssystem haben, denn vermeintlich läuft ja alles gut – auch ohne. Erforscht man Ursachen von Ereignissen wie Produktionsausfällen, Unfällen im Produktionsumfeld oder auch die unzureichende Qualität von Erzeugnissen, erkennt man oft einen gemeinsamen Nenner: Bediener von Maschinen und Anlagen nehmen über ihre Befähigung oder Berechtigung hinaus Eingriffe an Maschinen vor, die zum unerwünschten Ereignis führen.
Was tun Sie, um das Thema Zugangsberechtigung bzw. Manipulationsschutz mehr ins Bewusstsein zu bringen?
Wir sensibilisieren unsere Kunden dafür, dass sie durch ein Zugangsberechtigungssystem ihren Arbeitsalltag optimieren können und die Lösung im Berechtigungskonzept ihrer Maschinen oder Anlagen liegt. Manchmal stellt der personalisierte RFID-Transponder für die Mitarbeiter erst mal eine kleine Hürde dar. Es erscheint praktischer, wenn der Schlüssel weiterhin an der Maschine steckt. Aber mal ganz ehrlich: Würden Sie Ihren Schlüssel in der Haustür stecken lassen, sodass jeder reinkommen kann? Wohl eher nicht. Und genauso verhält es sich im Prinzip auch mit einer Produktionsanlage.
Martin Mielke
„Würden Sie Ihren Schlüssel in der Haustür stecken lassen, sodass jeder reinkommen kann? Wohl eher nicht. Und genauso verhält es sich im Prinzip auch mit einer Produktionsanlage.“
Bei vielen Kundenbesuchen und Rundgängen durch Fertigungshallen fällt auf, dass an Maschinen oder Anlagen trotzdem der Schlüssel steckt. Ich könnte, ohne dass es jemand bemerkt, die Betriebsart wechseln, Türen öffnen und in den Produktionsbereich eintreten, dabei ggf. die Produktion stören und mich schlimmstenfalls dabei verletzen. Als Besucher von produzierenden Unternehmen unterschreibt man vor dem Eintreten meist eine Erklärung, dass man nicht fotografiert und sich nicht an Maschinen vergreift und dass man eine Warnweste oder Schutzschuhe trägt. Letztlich fordern Normenwerke wie die Maschinenrichtlinie, die neue Maschinenverordnung oder auch die Betriebssicherheitsverordnung, dass willensunabhängige Maßnahmen immer Vorrang vor willensabhängigen haben. Das bedeutet im konkreten Fall: erst die technische Lösung für den unbefugten Zutritt in den Maschinenbereich und dann die organisatorische bzw. persönliche Maßnahme.
Drei Praxisbeispiele: Hier macht die Zugangsberechtigung Sinn!
1. Nicht autorisiert und trotzdem mittendrin
Auf der Suche nach einem Ansprechpartner stand ein Lkw-Fahrer auf einmal mitten in der Produktionsanlage. Die Tür, durch die er in die Anlage geriet, hätte nicht geöffnet werden dürfen. Das Ganze hätte zu einem Unfall führen können. In diesem Fall gab es lediglich eine Produktionsunterbrechung, aber eine solche kann teuer werden, wenn ein dadurch ausgelöster Stillstand mehrere Stunden dauert. Durch die Vergabe von individuellen Berechtigungen an die eigenen Mitarbeiter und die damit verbundene Zugangsbeschränkung hätte das verhindert werden können.
2. Unqualifizierter Eingriff mit schweren Folgen
An einer Anlage führte ein Mitarbeiter Funktionen aus, für die er weder geschult noch berechtigt war – leider kam er dadurch körperlich zu Schaden. Der Schlüssel hatte die ganze Zeit gesteckt und lediglich die Türen überbrückt. Alle Zyklen der Produktion liefen mit voller Geschwindigkeit und der Unfall war praktisch vorprogrammiert. Ein intelligentes elektronisches Zugangsberechtigungssystem hätte das dadurch verhindern können, dass bei geöffneter Tür und nicht vorliegender Berechtigung keine Bewegungen der Maschine zugelassen worden wären, der Benutzerkreis auf bestimmte Personen reduziert worden wäre oder für diesen Mitarbeiter nur begrenzte Funktionen freigeschaltet gewesen wären.
3. Fehlender Überblick bei Wartungsarbeiten
Ein Mitarbeiter verschaffte sich Zugang zu einer Maschine und wurde verletzt, weil ihn ein anderer an der Maschine arbeitender Mitarbeiter nicht gesehen hatte. Auch hier hätte ein elektronisches System vorsorgen können: Es hätte beispielsweise vorgegeben werden können, dass nur bestimmte Mitarbeiter Türen öffnen können oder dass, solange eine Tür geöffnet ist und ein Mitarbeiter sich im Gefahrenbereich befindet, keine weitere Tür geöffnet sein darf.
Was empfehlen Sie Ihren Kunden? Wie lässt sich eine Zugangsberechtigung gut umsetzen?
Generell empfehle ich meinen Kunden, ein Konzept für die Zugangsberechtigung zu erstellen, das wir dann gemeinsam mit ihnen umsetzen. Dadurch läuft die Produktion zuverlässiger, es gibt weniger Stillstände und Unfälle. Und die Anschaffungskosten sind im Vergleich zu eventuellen Ausfallkosten oder gar Personenschäden fast schon vernachlässigbar. Das Schöne an einem elektronischen Zugangsberechtigungssystem wie PITreader ist, dass es völlige Flexibilität bietet.
Es ist für Neu- und für Bestandmaschinen geeignet, kann also auch im Zuge eines Retrofits verbaut werden. Auch die Anzahl der Maschinen oder die Anzahl der Nutzer spielt keine Rolle. Prinzipiell kann es sowohl für Maschinen als auch für ganze Gebäude genutzt werden. Vereinfacht gesagt überall dort, wo 24 Volt Gleichspannung vorhanden sind. Auch mobile Applikationen wie Hebebühnen, Fahrstühle oder der Einsatz in einem fahrerlosen Transportsystem (FTS) sind prinzipiell denkbar.
Zugangs- und Zugriffsberechtigung mit PITreader
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Mit PITreader lassen sich Aufgabenstellungen hinsichtlich der Zugangsberechtigungen für Maschinen und Anlagen realisieren. Die Möglichkeiten reichen von der einfachen Freigabe über die Benutzerauthentifizierung bis zur komplexen Berechtigungsmatrix und zu firmenspezifischen Codierungen. Dabei ist PITreader flexibel als Stand-alone-Gerät oder in Verbindung mit einer Pilz Steuerung einsetzbar. Die Transponderschlüssel mit RFID-Technologie sind in frei beschreibbaren Varianten sowie mit fix hinterlegten Berechtigungen erhältlich. Für die schnelle und einfache Programmierung der PITreader keys und der PITreader Einstellungen stehen selbstverständlich die passenden Softwaretools zur Verfügung.
Weitere Informationen:
Betriebsartenwahl- und Zugangsberechtigungssystem PITmode – Pilz DE
Wie schnell können Zugangsberechtigungen für PITreader erstellt, angepasst oder deaktiviert werden?
Das geht sehr schnell und einfach. Ich vergleiche das mit dem Einrichten eines WLAN-Netzes über das Routermenü für zu Hause. Durch die Vernetzungsmöglichkeit des PITreader kann man unseren UAS-Dienst (User Authentification Service) nutzen. Mit wenigen Klicks in der zentralen Serverdatenbank können Maschinenzugriffe verändert, Nutzer hinzugefügt, gesperrt oder Zugriffe zeitlich begrenzt werden. Ein schönes Beispiel für eine zeitliche Begrenzung sind regelmäßige Schulungen, durch die Mitarbeiter ihre Fähigkeiten bestätigen oder auffrischen. Nach bestandener Prüfung wird mit wenigen Klicks die zeitliche Berechtigung verlängert.
„Das Schöne an einem elektronischen Zugangsberechtigungssystem wie PITreader ist, dass es völlige Flexibilität bietet.“
Martin Mielke
Welchen Mehrwert erhalten Betreiber durch die digitale Wartungssicherung Key-in-pocket?
Ich war selbst überrascht von den Möglichkeiten, die die Key-in-pocket-Lösung bietet. Im Zusammenspiel mit der sicheren konfigurierbaren Kleinsteuerung PNOZmulti bietet Pilz hier eine vorgefertigte Lösung. Mit ihr können Stand heute bis zu vier Türen so vernetzt werden, dass man jederzeit den Überblick hat, wer an welcher Tür angemeldet ist und ob die Maschinenzelle wieder verlassen wurde. Das ist besonders bei größeren, unüberschaubaren Maschinen von Vorteil.
Damit verbunden ist auch die Möglichkeit, die Maschine durch eine andere Tür zu verlassen als durch die Eintrittstür. Das Tolle an der Lösung ist, dass es bereits fertige Bausteine dafür gibt und kein Quellcode in der Steuerung geschrieben werden muss. Die Lösung kann einfach in das vorhandene System des Kunden übernommen werden. Dank der intuitiven Bedienung des Tools kann es bereits nach einer Kurzeinweisung bedient werden, ohne dass tiefgreifende Programmierkenntnisse erforderlich sind. Selbstverständlich kann Pilz das auf Wunsch auch übernehmen.
Wartungssicherung „Key-in-pocket“ zum Schutz gegen unerlaubten Wiederanlauf
![](https://pilz-magazine.com/de/wp-content/uploads/sites/23/2023/08/Pilz-Wartungssicherung-gegen-unerlaubten_wiederanlauf-1024x647.jpg)
Die Lösung stellt sicher, dass eine Maschine nicht wieder in Betrieb genommen werden kann, solange sich Personen in der Gefahrenzone aufhalten. Die Wartungssicherung „Key-in-pocket“ ist für Maschinen mit gefährlichen Bereichen, die durch einen Schutzzaun gesichert sind und von Personal betreten werden müssen, konzipiert – beispielsweise Roboterzellen. Im Vergleich zu gewöhnlichen Lockout Tagout-(LoTo-)Systemen wird die Wartungssicherung bei der Key-in-pocket-Lösung über RFID-Keys mit entsprechenden Berechtigungen und einer sicheren Liste in den Pilz Steuerungen realisiert. Somit handelt es sich um einen rein elektronischen Wiederanlaufschutz. Dies macht mechanische Verriegelungsvorrichtungen sowie Warnanhänger überflüssig.
Vorteile auf einen Blick
- Authentifizierung von Personen, sicherer Wiederanlaufschutz
- Zertifizierungen: PL d Cat. 3 nach EN ISO 13849–1, SIL CL 2 nach EN 62061 und SIL 2 nach IEC 61508
- vollständige Kontrolle, welche Person Zugang zu welcher Maschine hat; auch temporäre Berechtigung möglich
- bis zu 20 Personen, die gleichzeitig eine Maschine betreten können
- Anlage muss nicht durch dieselbe Tür verlassen werden, durch die sie betreten wurde
Weitere Informationen:
Zugangsmanagement für Ihre Maschinen und Anlagen – Pilz DE
Wenn es um individuelle Zugangsberechtigungen geht: Wie verhält es sich mit dem Datenschutz?
Das ist eine wichtige Frage, denn der Datenschutz spielt heutzutage eine große Rolle und ist in größeren Unternehmen auch immer ein Thema für Gremien wie den Betriebsrat. Die Daten in unserem Zugangsberechtigungssystem können auf Wunsch personenbezogen gespeichert werden. Allerdings muss diese Funktion erst aktiviert werden. Erfolgt eine Speicherung, so ist der Zugriff auf die Daten passwortgeschützt, d. h., nicht jeder kann die Dateien einsehen. Die Speicherung der Daten soll dabei keine Kontrollzwecke erfüllen, sondern dient der Prävention. Sollten sich unerwünschte Ereignisse an Maschinen oder Anlagen ergeben, so kann nachvollzogen werden, wie es zu einem solchen Ereignis gekommen ist, und es können Maßnahmen ergriffen werden, um das zukünftig auszuschließen.
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Was ist Ihre liebste sichere Produktlösung von Pilz, wenn es um die Zugangsberechtigung geht?
Mein persönliches Highlight ist der RFID-fähige PITreader sticker. Der ist klein wie eine Münze, nur flacher, und kann z. B. auf der Rückseite eines Handys oder auf einem anderen persönlichen Gegenstand, den man sowieso bei sich trägt, angebracht werden. Auch das Aufkleben auf eine schon vorhandene Zugangs- oder Zeitstempelkarte ist eine Möglichkeit, den PITreader sticker griffbereit zu haben. Damit ist er eine praktische Alternative zum Transponderschlüssel. Die Idee für das Produkt kam aus unserem regionalen Vertriebsbüro in Dresden. Wir fanden es eine gute Möglichkeit, sich den Schlüssel zu sparen, und haben das unserem Produktmanagement vorgeschlagen.
Und welche Funktion des Zugangsberechtigungssystems PITreader begeistert Sie?
Definitiv die Möglichkeit der zeitlichen Beschränkung. Ähnlich wie bei einer Hoteltür kann der Zugang zu einer Maschine für eine beschränkte Zeit freigegeben werden. Das ist zum Beispiel der Fall bei Wartungsmitarbeitern oder auch bei Ferienjobbern. Selbst wenn der Schlüssel verloren geht oder der Mitarbeiter ihn abzugeben vergisst, ist er automatisch nicht mehr aktiv. Das bietet einen zusätzlichen Schutz ohne manuelles Eingreifen.
Persönliches – Martin Mielke
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Martin Mielke ist als Vertriebsingenieur bei Pilz tätig. Durch seine berufliche Erfahrung, zuletzt als Gruppenleiter der Elektrokonstruktion bei einem Kranbauunternehmen in Thüringen, kennt er Kundenanforderungen von Grund auf. Ersten intensiven Kontakt zu Pilz hatte er im Rahmen einer Bachelorthesis zum Thema Sicherheitstechnik an Brücken- und Portalkranen.
Sein Interesse für die Maschinensicherheit hat er seit 2013 mit seiner Vertriebstätigkeit zur Leidenschaft gemacht. Kunden in Thüringen profitieren von seinem praktischen Know-how und seiner Begeisterung dafür, immer wieder eine individuelle Kundenlösung zu finden. An Pilz fasziniert ihn die Qualität der Produkte und Dienstleistungen, der Spirit des Unternehmens und vor allem die Treue und Wertschätzung durch die Kunden. Sein aktuelles Lieblingsprodukt neben dem Zugangsberechtigungssystem PITreader ist das Stand-alone-Basisgerät PNOZ m C0 – der universell programmierbare Sicherheitsbaustein, der überall hineinpasst, sogar in die Hosentasche.