Gerd Wemmer, Vertriebsingenieur der Pilz Vertriebs- und Servicegesellschaft Deutschland, erläutert im Gespräch, was bei der Auswahl einer geeigneten Schutztürlösung zu beachten ist, welche Normen relevant sind und warum grundsätzlich eine Risikobeurteilung erforderlich ist.
Herr Wemmer, wie gehen Sie vor, wenn Kunden Sie nach einer Schutztürlösung fragen?
Grundsätzlich betrachten wir immer die Anwendung im Detail. Neben den mechanischen Anforderungen aufgrund der Art der Tür, also z. B. Schwenk- oder Schiebetür, ist vor allem die Gefahrensituation die entscheidende Komponente. Dabei schauen wir uns an, ob die Tür den direkten Zugang zu einer Gefahrenstelle verhindern soll oder ob sie lediglich den Zugang zu einem Bereich ermöglicht, der keine direkte Gefahrenstelle hat.
Wieso ist diese Unterscheidung wichtig?
Der Unterschied liegt darin, dass bei einer Schutztür mit direktem Zugang zur Maschine und zur Gefahrenstelle die Gefahr so nah hinter der Schutztür liegen kann, dass die Sicherheitsschalter mit einer zusätzlichen Verriegelung ausgerüstet werden müssen. Eine Verriegelung ist erforderlich, damit kein Zugriff auf die laufende oder sich drehende Maschine stattfinden kann und auch kein Eingriff während des Nachlaufs der Maschine möglich ist. Im Gegensatz dazu steht die Schutztür zur Fertigungszelle. Hier können meist einfachere Schalterarten ohne Zuhaltung verwendet werden, da die Gefahrenstellen sich weit genug vom Zugang entfernt befinden und keine Gefahr durch den Nachlauf an der Gefahrenstelle entsteht.
„Neben den mechanischen Anforderungen aufgrund der Art der Tür, also zum Beispiel Schwenk- oder Schiebetür, ist vor allem die Gefahrensituation die entscheidende Komponente bei der Auswahl der passenden Schutztürlösung.“
Gerd Wemmer, Vertriebsingenieur der Pilz Vertriebs- und Servicegesellschaft Deutschland
Welche Normen müssen bei der Auswahl einer Schutztürlösung beachtet werden?
Die Maschinenrichtlinie – auch die neue Maschinenverordnung – regelt grundsätzlich die allgemeinen Anforderungen an Schutzeinrichtungen. Diese dienen als Basis. Zwei wichtige Normen auf dem Weg zur sicheren Schutztür sind die EN ISO 14119 „Sicherheit von Maschinen – Verriegelungseinrichtungen in Verbindung mit trennenden Schutzeinrichtungen – Leitsätze für Gestaltung und Auswahl“ und die EN ISO 14120 „Sicherheit von Maschinen – Trennende Schutzeinrichtungen: Allgemeine Anforderungen an Gestaltung und Bau von feststehenden und beweglichen trennenden Schutzeinrichtungen“. Hinzu kommt noch die EN ISO 13857, die Sicherheitsabstände für das Erreichen von Gefährdungsbereichen mit den oberen und unteren Gliedmaßen festlegt, um das Erreichen von Gefährdungsbereichen zu verhindern. Diese Normen sind wichtig, da sie die Entscheidung über den richtigen Schalter und dessen Anbringung bestimmen.
Ist auch immer eine Risikobeurteilung erforderlich?
Grundsätzlich ist jede Gefahrenstelle mit einer Risikobeurteilung oder Gefährdungsbeurteilung zu bewerten. Daraus ergibt sich auch, ob eine Schutztüreinrichtung angebracht werden muss und wie sie auszusehen hat. Zudem wird durch die Risikobeurteilung der erforderliche Sicherheitslevel, der sogenannte Performance Level gemäß EN 13849–1, ermittelt. Dieser wiederum hilft bei der Auswahl der Schutzeinrichtung.

Betrifft das auch Änderungen an Bestandsmaschinen?
Ja, hier ist die Vorgehensweise ähnlich: Neue Gefahrenstellen müssen mit einer Risikobeurteilung bewertet werden, die den Performance Level bestimmt. Dieser hilft bei der Auswahl des dazu passenden Schalters.
Welche Fauxpas begegnen Ihnen im Alltag?
Beim Durchlaufen der Fertigung sehe ich bei den Bedienern oft einen Schlüsselbund mit Betätigern für die Sicherheitsschalter. Das lässt mich einerseits schmunzeln, aber es irritiert mich auch, weil das quasi ein erstes Anzeichen für Manipulation ist. Das bedeutet nämlich, dass diese Betätiger gesteckt werden und die Maschinen bei geöffneter Schutztür einfach weiterlaufen. Verhindert werden kann das durch einen Unikat-Schalter, der nur einen passenden Betätiger hat und somit nicht manipuliert werden kann.
„Beim Durchlaufen der Fertigung sehe ich in vielen Betrieben und bei fast jedem Bediener der Maschinen einen Schlüsselbund mit Betätigern für die Schutztürschalter. Das lässt mich einerseits schmunzeln, aber es irritiert mich auch, weil das ein sicheres Anzeichen für Manipulation ist.“
Gerd Wemmer, Vertriebsingenieur der Pilz Vertriebs- und Servicegesellschaft Deutschland
Was empfehlen Sie Kunden, die auf der Suche nach einer Schutztürlösung sind?
Um Fragen zu beantworten und Probleme zu lösen, kann es sinnvoll sein, auch auf Informationen wie das Sicherheitskompendium von Pilz zurückzugreifen oder das Know-how eines Experten wie Pilz in Anspruch zu nehmen. Unser Außendienst steht gerne als Ansprechpartner für Fragen und Hilfestellungen zur Verfügung. Auch ein individueller Beratertag kann der erste Schritt sein. Für Hersteller von Maschinen ist es von Vorteil, sich selbst in das Thema einzuarbeiten. Dafür bieten wir Schulungen und Qualifizierungen zur Maschinensicherheit an, die für Konstrukteure hilfreich sind.
Gibt es typische Fragen, die Kunden Ihnen zur Schutztür stellen?
Tatsächlich gibt es keine typische Frage, weil die Lösung immer individuell ist. Gefahrenstellen gleichen sich zwar manchmal, aber die Anforderungen und Umgebungsbedingungen unterscheiden sich meist. Unsere Kunden lassen sich gern bezüglich der Funktion und Funktionalität beraten, um dann zu ihrer individuell passenden Schutztürlösung zu kommen.
Persönliches – Gerd Wemmer
Nach langjähriger Tätigkeit im Pilz Customer Support ist Gerd Wemmer seit 2017 als Vertriebsingenieur tätig. Seine Kunden profitieren von seinem technischen Background-Wissen und seiner Begeisterung bei der Erarbeitung von kundenorientierten Lösungen für jede Applikation. An Pilz schätzt er besonders den familiären Zusammenhalt im Unternehmen und die bereichsübergreifende Zusammenarbeit. Der direkte Kundenkontakt, verbunden mit der Herausforderung, immer die beste technische Lösung für die Applikation des Kunden zu finden, reizt ihn besonders an seiner Vertriebstätigkeit. Sein aktuelles Lieblingsprodukt ist die Kombination aus Sicherheitszuhaltung PSENmlock und Taster-Unit PITgatebox – die universelle Lösung für die Schutztür.
Was ist Ihr Lieblingsprodukt, wenn es um die Schutztürlösung geht?
Weitere Informationen auf der Pilz Website:
Ganz klar die Sicherheitszuhaltung PSENmlock in Kombination mit Taster-Unit PITgatebox, weil das System universell einsetzbar ist. PSENmlock bietet die sichere Verriegelung und sichere Zuhaltung in einem Produkt! Zudem kann es sowohl mit einem normalen Betätiger als auch mit dem Türgriffmodul genutzt werden. Ergänzungen sind nachträglich möglich und mit unserem neuen PSENmlock mini können sogar kleinere Türen, Hauben oder Klappen abgesichert werden. Nutzt man PSENmlock in Kombination mit der Taster-Unit PITgatebox, sind auch gleichzeitig alle Bedienelemente vorhanden. Eine superflexible Lösung!