Im Interview mit Florian Vetter, Consulting Services Süd-West, und Marco Palma, Teamleiter Engineering Services Süd.
Wann spricht man von einem Retrofit?
Vetter: Ein Retrofit bezeichnet eine Modernisierung oder ein Upgrade einer Maschine. Es kann sowohl steuerungs- als auch sicherheitstechnisch begründet sein. Ziel ist die Erhaltung der Produktivität bzw. Verfügbarkeit bei höchstmöglicher Sicherheit. Zudem bietet ein Retrofit die Chance, Themen in die Modernisierung miteinfließen zu lassen, die zum Zeitpunkt der Maschinenerstellung noch nicht Stand der Technik waren.
Was sind Auslöser für ein Retrofit?
Vetter: Ein Retrofit kann erforderlich sein, wenn es sicherheitstechnische Mängel gibt. Entdeckt werden Mängel oft durch die gesetzlich vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilung.
Palma: In vielen Fällen ist auch die schwindende Verfügbarkeit von Bauteilen Auslöser für ein Retrofit. Das ist der Fall, wenn Steuerungskomponenten herstellerseitig abgekündigt werden, nicht mehr verfügbar oder nur schwer zu beschaffen sind. Das betrifft sowohl Automatisierungs- als auch Safety-Bauteile.
„Ein Retrofit ist die Chance, Themen in die Modernisierung miteinfließen zu lassen, die zum Zeitpunkt der Maschinenerstellung noch gar nicht Stand der Technik waren – z. B. Security.“
Florian Vetter, Consulting Services Süd-West
Ist ein Retrofit besser als eine Neuanschaffung?
Vetter: Ein Retrofit kann kosteneffektiver sein als eine Neuanschaffung, insbesondere wenn die Aufrüstung und Erneuerung der Bestandsmaschine ausreichen, um die Anforderungen abzudecken. Gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten oder bei längeren Beschaffungsketten oder ‑zeiten ist ein Retrofit oft attraktiver als eine Neuinvestition.
Für ein Retrofit spricht oft, dass das Arbeitsmittel bereits bekannt und keine große Anlaufphase notwendig ist. In den meisten Fällen ist der Umbau auch weniger zeitintensiv als eine Neuanschaffung.
Palma: In manchen Fällen sind alte Anlagen, betreffend der Mechanik, robuster als neue. Sie sind daher weniger anfällig für Ausfälle bzw. liefern ein besseres Ergebnis bei der Bearbeitung von Teilen. Auch deshalb kann ein Retrofit sinnvoller sein als eine Neubeschaffung.
„Ein Retrofit kann deutlich rentabler sein als eine Neuinvestition.“
Marco Palma, Teamleiter Engineering Services
Wann ist der richtige Zeitpunkt für ein Retrofit?
Palma: Grundsätzlich dann, wenn Bedenken bezüglich der Sicherheit oder der Verfügbarkeit der Maschine entstehen. Also beispielsweise bei der Zunahme von Maschinenausfällen, Stillstandszeiten oder wenn Manipulationen in Betracht gezogen werden, um die Verfügbarkeit aufrechtzuerhalten.
Um Problemen bei der Ersatzteilbeschaffung vorzubeugen, sollte in jedem Fall frühzeitig gehandelt werden, denn gerade Produktabkündigungen von Komponenten erreichen oft nicht die Maschinenverantwortlichen der Betreiber.
Pilz auf der IN.STAND 2024
Unter dem Motto „Von der Technik für die Technik“ präsentiert Pilz auf der IN.STAND (8.–9. Oktober) in Stuttgart Lösungen für die Modernisierung und Überarbeitung von Bestandsmaschinen. Das begleitende Fachforum Instandhaltung bietet mit spannenden Fachvorträgen und Live-Vorlesung die Möglichkeit zum Austausch mit Experten aus Industrie, Wissenschaft und Verbänden. Die vielfältigen Themen reichen von der neuen Maschinenverordnung bis hin zu Smart Maintenance zwischen Nachhaltigkeit und KI.
Wie viel Zeit benötigt ein Retrofit?
Palma: In der Praxis haben wir schon alles erlebt – von zwei bis drei Wochen bis zu einem Jahr. Beurteilung und Planung werden parallel zum laufenden Betrieb durchgeführt. Lediglich für die Umsetzung steht die Maschine still. Bei der Implementierung berücksichtigen wir die zur Verfügung stehenden Stillstandszeiten der Anlagen. Das bedeutet teilweise, dass Umbauarbeiten am Wochenende stattfinden, so dass sie den laufenden Betrieb nur marginal beeinflussen.
Erfordert ein Retrofit immer ein neues CE-Zeichen?
Vetter: Wir empfehlen grundsätzlich immer eine Prüfung auf wesentliche Veränderung. Je komplexer der Umbau, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um eine wesentliche Veränderung handelt. Nur wenn der Umbau eine solche darstellt, ist auch eine neue CE-Kennzeichnung erforderlich. Die Prüfung darauf erfolgt idealerweise bereits vor der Umbauphase der Maschine, um auch sicher sein zu können, dass das Retrofit wirtschaftlich ist.
Wer führt das Retrofit durch?
Der erste Schritt in Richtung Sicherheit
Palma: Das Retrofit kann von unseren Kunden selbstständig durchgeführt, von Pilz begleitet oder vollständig durch unsere Experten durchgeführt werden. Wer es selbst in die Hand nehmen will, kann sich zum Experten machen und dafür das umfangreiche Schulungsprogramm von Pilz nutzen.
Was empfiehlt Pilz Kunden bzgl. eines Retrofits?
Palma: Generell sollte man vor allem beim Auslöser der abnehmenden Bauteileverfügbarkeit nicht warten, bis das letzte Teil kaputt ist, sondern auch immer die Verfügbarkeit im Blick behalten. Es gilt rechtzeitig zu agieren, um Produktivität und Verfügbarkeit von Maschinen und Anlagen sicherzustellen.