„IT und Auto­ma­ti­sie­rungs­technik sind ein Konti­nent“

Harald Wessels, Vice Presi­dent Product Manage­ment bei Pilz, wirft einen Blick in die Zukunft der sicheren Auto­ma­tion. Was passiert, wenn IT und Auto­ma­ti­sie­rungs­technik weiter verzahnt werden? Im Inter­view spricht er über Chancen und Risiken.

Herr Wessels, die Auto­ma­ti­sie­rung ist im Wandel. Welche Trends beob­achten Sie?

In der Auto­ma­ti­sie­rung spre­chen wir über drei wesent­liche Kern­kom­po­nenten: Sensorik, Steue­rungs­technik und Aktorik. Für alle drei Bereiche gilt: Die Kompo­nenten sollen kleiner werden, sie müssen effi­zi­enter werden und die Qualität, die Leis­tungs­fä­hig­keit der Produkte soll sich verbes­sern. Wir haben diese Trends bei jeder neuen Produkt­ge­ne­ra­tion im Blick. Ein aktu­elles Beispiel aus unserem Hause ist die Sicher­heits­zu­hal­tung PSENmlock mini. Denn gegen­über ihrem Vorgänger PSENmlock trägt sie – wie der Name schon sagt – dem Trend der Minia­tu­ri­sie­rung Rech­nung und ist circa 60 Prozent kleiner, also ideal für platz­kri­ti­sche Appli­ka­tionen wie Hauben oder Klappen.

Ein weiterer Trend ist die Daten­kom­mu­ni­ka­tion. Auch sie hat einen wesent­li­chen Einfluss auf die Effi­zienz bezie­hungs­weise die Leis­tung der Sicher­heits­technik.

Sie meinen den Trend, die Daten­kom­mu­ni­ka­tion zu stan­dar­di­sieren?

Ganz genau. Die Zeit proprie­tärer Lösungen ist vorbei. Einfache Konnek­ti­vität ist das Ziel. Wir setzen bei der Sensorik für die funk­tio­nale Sicher­heit auf den Kommu­ni­ka­ti­ons­stan­dard IO-Link Safety. Er erfüllt für einen Groß­teil der Sensorik die Anfor­de­rungen an die Kommu­ni­ka­tion. Wenn wir aber über komplexe sichere Sensorik spre­chen, beispiels­weise für bild­ge­bende Verfahren, reicht IO-Link Safety nicht aus. Hier sind Ethernet-basierte Proto­kolle wie PROFI­safe, CIP Safety und FSoE eine wich­tige Alter­na­tive. Doch auch hier brau­chen wir einen einheit­li­chen Stan­dard. Auto­ma­ti­sie­rungs­lö­sungen von Pilz werden künftig neben IO-Link Safety auch OPC UA FX mit seinen Facetten unter­stützen. Darin sehen wir die Zukunft.

„Unsere Auto­ma­ti­sie­rungs­lö­sungen werden künftig neben IO-Link Safety auch OPC UA FX mit seinen Facetten unter­stützen. Darin sehen wir die Zukunft.“

Harald Wessels, Vice Presi­dent Product Manage­ment bei Pilz

Anhand eines Beispiels lässt sich zeigen, wie sich die Geschichte an dieser Stelle wieder­holt: Vor vielen Jahren haben wir über Feld­bus­pro­to­kolle und deren jewei­lige Vor- und Nach­teile gespro­chen. Jedes Proto­koll hatte seine eigenen physi­ka­li­schen Ausprä­gungen wie Steck­ver­binder und Kabel. Das war aus der Sicht des Maschinen- und Anla­gen­baus recht unbe­frie­di­gend. Mit der Einfüh­rung von Swit­ched-Ethernet in der IT-Welt hat sich vor nun schon geraumer Zeit eine Über­tra­gungs­tech­no­logie etabliert, die sehr gut skalierbar, einfach in der Instal­la­tion und zukunfts­si­cher ist. Das haben auch die Nutzer­or­ga­ni­sa­tionen der Feld­bus­sys­teme regis­triert und diese Tech­no­logie als deren Ersatz adap­tiert. Somit wurden Tech­no­lo­gien der IT-Welt in die Auto­ma­ti­sie­rungs­welt über­nommen. Jetzt arbeiten Vertreter aus der Auto­ma­ti­sie­rungs­welt im Rahmen von OPC UA FX an Spezi­fi­ka­tionen, um die Über­tra­gung von Daten weiter zu stan­dar­di­sieren und dabei Belange der Fabrik- und Prozess­au­to­ma­ti­sie­rung zu berück­sich­tigen. Wen wundert es, dass dabei auch Proto­kolle und Tech­no­lo­gien berück­sich­tigt werden, die sich seit Jahren in der IT-Welt bewährt haben.

Führt die stei­gende Daten­menge denn auch zu mehr Sicher­heits­sen­sorik in den Produk­ti­ons­hallen?

Lassen Sie mich die Frage so beant­worten: Sensoren gene­rieren Daten und Daten werden immer wich­tiger. Ein Sensor kann nicht nur Infor­ma­tionen über den Prozess­zu­stand liefern (also das eigent­liche Ziel, um die Maschine zu auto­ma­ti­sieren), sondern abhängig von der Imple­men­tie­rung weitere Daten wie zum Beispiel Diagnose- oder Betriebs­daten bereit­stellen. Und da sind wir wieder beim Thema Vernet­zung. Um die Poten­ziale weiter ausschöpfen zu können, müssen die Daten in einem stan­dar­di­sierten Format beschrieben und über­tragen werden, sodass sie maschi­nen­lesbar sind.

Wenn die Daten­kom­mu­ni­ka­tion stan­dar­di­siert ist, wo ist dann für die Kunden noch das Unter­schei­dungs­merkmal in den Ange­boten einzelner Anbieter?

In der Anwen­der­soft­ware. Sie wird das wesent­liche Unter­schei­dungs­merkmal der Zukunft sein. Wie einfach ist die Hand­ha­bung? Wie komme ich an die Maschi­nen­daten für weitere Auswer­tungen? Wie einfach lassen sich Geräte konfi­gu­rieren oder para­me­trieren? Einfach­heit, das ist das Schlag­wort in der Auto­ma­ti­sie­rung an dieser Stelle. Hier kommt auch der demo­gra­fi­sche Wandel ins Spiel, bezie­hungs­weise der damit verbun­dene Fach­kräf­te­mangel. Konstruk­tion, Engi­nee­ring und Bedie­nung einer Maschine darf in Zukunft nicht nur für hoch­qua­li­fi­zierte Fach­kräfte möglich sein. Das heißt, dass man zum Beispiel grafi­sche Elemente nutzt, um Anwen­dungen oder Codes zu gene­rieren. Da sind wir dann schnell beim Trend der Arti­fi­cial Intel­li­gence (AI) ange­langt. Dieser Trend wird sicher­lich einen Einfluss auf die Auto­ma­ti­sie­rung in der Zukunft haben.

„Wir wollen fürein­ander arbeiten – alle gemeinsam für den Kunden.“

Harald Wessels, Vice Presi­dent Product Manage­ment bei Pilz

Welchen Einfluss wird Arti­fi­cial Intel­li­gence Ihrer Meinung nach auf die funk­tio­nale Sicher­heit haben?

Wir schauen uns sehr aufmerksam an, was wir aus dem Feld der künst­li­chen Intel­li­genz für uns und unsere Produkte nutzen können. Viele Funk­tionen sind jedoch nicht 1:1 auf die Sicher­heits­technik über­tragbar. Da wird es noch ein paar Jahre dauern, bis man KI in dem sehr sensi­blen Bereich der funk­tio­nalen Sicher­heit zuver­lässig wird nutzen können. Dennoch ist die Rich­tung klar: Die IT-Welt mit ihren Lösungen wird mehr und mehr Einfluss darauf nehmen, was in der Auto­ma­ti­sie­rungs­technik passiert. Wie schon gesagt, wurden bereits einige Tech­no­lo­gien über­nommen, die auch für die Auto­ma­ti­sie­rung von Maschinen und Anlagen einen Mehr­wert darstellen. Die Infor­ma­ti­ons­tech­no­logie und die Auto­ma­ti­sie­rungs­technik kann man nicht als sepa­rate Inseln sehen. Das ist ein Konti­nent, der Länder verbindet.

Wie steht es um Safety und Security? Was passiert hier?

Auch hier gilt: Funk­tio­nale Sicher­heit und Security, beides gehört zusammen. Die neue Maschi­nen­ver­ord­nung macht das deut­lich. Indus­trial Security an Maschinen und Anlagen wird spätes­tens 2027 verpflich­tend. Auch dieses Thema kommt aus dem IT-Bereich und wird jetzt zu einem OT-Thema. Zur Zeit der Feld­bus­tech­no­lo­gien hat sich niemand für Cyber­an­griffe oder Mani­pu­la­tionen von außen inter­es­siert, weil die Proto­kolle so indi­vi­duell waren – also unin­ter­es­sant für Hacker. Jetzt aber müssen wir mehr und mehr schauen, wie wir unsere stan­dar­di­sierte Daten­kom­mu­ni­ka­tion sowie unsere zuneh­mend vernetzten Anlagen zuver­lässig vor Angriffen schützen. Wo Daten gene­riert werden, gibt es immer jemanden, der sagt: „Diese Daten hätte ich gerne.“ Damit ist es ein Security-Thema. Und in der vernetzten Fabrik gilt: Ohne Security ist auch die Safety nicht länger gewähr­leistet. Daher wird es auf jeden Fall ein Thema bleiben, wofür wir bei Pilz uns im Sinne unserer Kunden weiterhin einsetzen werden – zum Beispiel mit unserem neuen Indus­trial Security Consul­ting Service.


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