Teil 5 der Serie „Missverständnisse aus der Welt geschafft!“
Sicherheit ist unbezahlbar! Das bedeutet aber nicht, dass sie kostspielig sein muss. Welche typischen Missverständnisse vorherrschen und warum es sich immer lohnt, genau zu hinterfragen, erklären wir in der Serie „Missverständnisse aus der Welt geschafft“. Direkt aus der Praxis berichtet, räumen wir mit Mythen auf und konzentrieren uns auf die Fakten.
Ich mag Kundenbesuche – außer in den sehr speziellen und zum Glück seltenen Fällen, in denen es eigentlich schon zu spät ist. Nach einem Unfall.
Selbst bei diesen wenigen Fällen zeichnen sich unschöne Muster ab. Sehr oft ging dem Unfall die Manipulation einer Schutzeinrichtung voraus – und bei genauerem Nachfragen auch nicht erst seit einem Tag oder zwei. Im Prinzip hat jeder davon gewusst.
Umfragen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e. V. (DGUV) bestätigen das. Zwar ist die genaue Zahl manipulierter Maschinen nicht problemlos herzuleiten. Aber schon 2006 gaben mehr als ein Drittel aller befragten Sicherheitsfachkräfte an, dass in ihren Betrieben Manipulation geduldet wird. 2023 waren es bereits 51 Prozent.
Der Anteil geduldeter Manipulationen ist in den letzten Jahren also merklich gestiegen! In besonders krassen – glücklicherweise aber genauso seltenen – Fällen wird die Manipulation sogar von Vorgesetzten angeordnet! Und doch: Nach dem Unfall zeigen alle auf die arme Person, die es erwischt hat. Besonders einfach ist das, wenn sie sich nicht mehr wehren kann.
„Wenn nach einer Manipulation ein Unfall passiert, wird oft dem Bediener die Schuld gegeben. Doch das ist zu kurz gedacht. Die Fehler ziehen sich häufig durch den kompletten Lebenszyklus einer Maschine.“
Sascha Brengmann, technischer Systemvertrieb Vertriebsregion West
Ja, Schutzeinrichtungen zu umgehen, ist nicht besonders schlau. Aber ist tatsächlich nur der schuld, der den finalen Akt inszeniert? Die Antwort ist ein klares Nein! Tatsächlich beginnt die Manipulation schon am Reißbrett und zieht sich dann durch das komplette Leben der Maschine: Hersteller, die keine ordentliche Risikobeurteilung durchführen. Konstrukteure, die Betriebsarten nicht zu Ende denken. Elektroplaner, denen das Know-how zur richtigen Geräteauswahl fehlt.
Die treffen auf Betreiberseite auf Einkäufer, die die richtigen Fragen nicht zu stellen wissen. Geschäftsführer, die kommerzielle Ziele setzen, aber keine für die Sicherheit. Betriebsleiter, die Sicherheitsfachkräften nicht zuhören. Schichtführer, die Druck von oben einfach an die Mitarbeiter weitergeben.
Am Ende der Kette stehen die Bediener, denen die Versäumnisse aller vorgelagerten Stellen auf die Füße fallen. Die wissen: Sobald die Maschine steht, sitzt ihnen jemand im Nacken und drängelt. Und die schnell herausfinden, wie man schlecht konstruierte Schutzeinrichtungen umgeht, um effizienter zu arbeiten. Die eine interne Hierarchie haben, in der derjenige am wichtigsten ist, der die meisten verschiedenen Betätiger und Schlüssel für Standardschließungen am Bund hat. Kurzum: Ja, der Bediener hat am Ende manipuliert, aber die „Anreize“ haben andere geschaffen. Und sie haben damit unter anderem gegen Vorgaben der Maschinenrichtlinie bzw. der neuen Maschinenverordnung verstoßen. Die fordern nämlich, dass der vorhersehbare Fehlgebrauch verhindert werden muss. Mit der ISO 14119 beschäftigt sich eine Norm intensiv mit dem Thema Manipulation.
Aus der Praxis für die Praxis
Sascha Brengmann ist bei Pilz im technischen Systemvertrieb der Vertriebsregion West tätig. Für die Serie „Missverständnisse aus der Welt geschafft“ berichtet er aus seinem Praxisalltag. Er nimmt dabei die typischen Fragestellungen seiner Kunden unter die Lupe und löst klassische Missverständnisse auf.