Wenn es um die Zukunft geht, dann sucht Pilz nicht nur den Austausch mit Kunden, sondern arbeitet auch intensiv mit Forschungsinitiativen zusammen. Das Geheimrezept für erfolgreiche Forschung heißt jedoch nicht Digitalisierung …
Der Mittwoch ist bei Bernd Neuschwander „ARENA-Tag“. Er wechselt dann von seinem eigentlichen Arbeitsplatz in der Abteilung „Advanced Development“ bei Pilz in die „ARENA2036“ an der Universität Stuttgart. Vor Ort, in der großen Halle des Forschungscampus, zwischen Roboterzellen und Arbeitsplätzen mit Virtual Reality, kommt eine Ingenieurin aus der Produktionstechnik eines großen Automobilzulieferers auf Bernd Neuschwander zu: „Ihr macht doch sichere Automation! Wir haben da eine Idee für ein fahrerloses Transportsystem in unserer Produktion. Können wir dazu deine Meinung hören?“
Pilz forscht in der ARENA2036
ARENA steht für Active Research Environment for the Next Generation of Automobiles. Bis zum Jahr 2036, in dem das 150-Jahr-Jubiläum des Automobils stattfindet, sollen ressourceneffiziente und wettbewerbsfähige Produktionsmodelle entstehen. Seit neun Jahren ist Pilz Mitglied der ARENA2036 und arbeitet aktiv in verschiedenen Projekten mit. „In der ARENA2036 werden Zukunftstrends und neue Produktionsmethoden diskutiert und in Projekten gleich auf ihre Praxistauglichkeit getestet“, erklärt Neuschwander. „Der große Vorteil ist der direkte Austausch zwischen Technikern, Ingenieuren und Entwicklern – ohne Hierarchiestufen, ohne Umwege.“

Bernd Neuschwander arbeitet zum Beispiel im Projekt Fluide Produktion mit, bei dem es um die Entwicklung und Implementierung eines menschzentrierten cyberphysischen Produktionskonzepts geht. „Was abstrakt klingt, bedeutet in der Praxis, dass alle Produktionsanlagen zunächst in flexible Module zerlegt werden. Diese können dann ganz nach Bedarf zu dynamischen Einheiten zusammengefasst werden.
Der Mensch nimmt als aktiver Gestalter seiner Produktionsumgebung eine zentrale Rolle ein“, erklärt Neuschwander. Die Vision: Plattformen, auf denen Automobile montiert und konfiguriert werden. Diese Plattformen bewegen sich frei in der Halle. Andere Plattformen mit Zulieferteilen oder benötigten Aggregaten werden im Lauf des Produktionsprozesses an- und wieder abgedockt. Menschen und Roboter arbeiten gemeinsam ohne Schutzzaun.
Lässt sich Maschinensicherheit digitalisieren?
Wandlungsfähigkeit spielt auch eine große Rolle im Projekt SDM4FZI. Der Lösungsansatz: die Produktion ausschließlich über Software zu definieren und dadurch dynamisch anpassbar zu gestalten. Auf diese Weise möchten die Projektpartner eine rein digitale Produktionsfabrik erschaffen, um die maximale Wandlungsfähigkeit zu erreichen. „Auch die Sicherheit der Maschinen muss Teil dieser übergreifenden Software sein“, sagt Matthias Schweiker, ein Kollege von Bernd Neuschwander, der für Pilz in diesem Projekt die Zukunft der Maschinensicherheit erforscht.
„Wir arbeiten an der toolgestützten CE-Konformität, also der Digitalisierung der Maschinensicherheit, der Vernetzung und Security, und an der Ausarbeitung der digitalen Verwaltungsschale für Safety-Parameter.“ Seit Oktober 2021 arbeitet das Team in definierten Arbeitspaketen. Momentan geht es vor allem darum, Standards zu schaffen. Das Projekt wird Ende März 2024 abgeschlossen sein.

Maschinensicherheit in Echtzeit
Die Smart Factory KL in Kaiserslautern ist der andere wichtige Forschungspartner für Pilz. Auch dort arbeitet Pilz gemeinsam an den Automatisierungslösungen der Zukunft – Sicherheit inklusive. Damit der Schutz von Mensch und Maschine jederzeit gewährleistet bleibt.
Die dynamischen Situationen in den künftigen Produktionsumgebungen müssen mit Blick auf die Sicherheit in Echtzeit geprüft und freigegeben werden. Das Schlagwort hier ist „Sicherheit zur Echtzeit“. Denkbar ist, dass sich verschiedene Maschinen – oder allgemein Assets – künftig Sicherheitseinrichtungen teilen. Der Begriff dafür ist „Shared Safety“, ein Konzept, das Pilz mit den Partnern in der Smart Factory KL erprobt.
ARENA2036 und Smart Factory KL stärken Zusammenarbeit
Künftig wollen ARENA2036 und Smart Factory KL eng zusammenarbeiten: Im ersten gemeinsamen Projekt ARENA‑X entsteht eine Demonstrations- und Testumgebung für die Nutzung von Datenräumen. In diesen Datenräumen sollen alle am Wertschöpfungsprozess beteiligten Unternehmen Daten sicher austauschen können.
„Die datenraumbasierte Umgebung dient dem Menschen: Sie schafft die Möglichkeit zum Demonstrieren, Ausprobieren und Testen. Daraus kann neues Wissen für die sichere Automation ganz im Sinne von Manufacturing‑X entstehen“, sagt Susanne Kunschert, geschäftsführende Gesellschafterin von Pilz. Kunschert ist auch Vorständin in der ARENA2036. „Datenräume sind das wertvolle Fundament für die digitale Zusammenarbeit. Sie sind miteinander verknüpfbar und tragen das Wissen zu verfügbaren Services aus einer Vielzahl an Produktionsumgebungen zusammen.“

Datenraum schafft Freiheitsgrade
In Kaiserslautern, dem Sitz der Smart Factory KL, wird in einer Shared Production bisher an drei Standorten ein Modell-Lkw gefertigt. In dem Forschungsszenario können sich Kunden einen Lkw über einen Produktkonfigurator zusammenstellen. In Zukunft ist ein Produktionsmodul von Pilz, das in der ARENA2036 in Stuttgart steht, Teil der Produktionsarchitektur, denn es ist in den Gaia-X-Datenraum der Smart Factory KL in Kaiserslautern eingebunden.
Der Konfigurator bietet beispielsweise die Option „Gelbes Führerhaus“. Einmal angeklickt, soll die Produktion in der ARENA2036 starten. In einem ersten Schritt wird das Führerhaus in der Pilz Farbe Gelb im 3D-Drucker „produziert“ und nach Qualitätskontrolle mittels KI-Algorithmus überprüft. Nun steht es zum Transport nach Kaiserslautern bereit und kann dort im Modell-Lkw verbaut werden.

„Durch die damit mögliche Verlagerung von Fertigungsprozessen und Abstimmungen sowie den sicheren Datentausch in Datenräumen entstehen neue Freiheitsgrade für die Produktion“, macht Bernd Neuschwander deutlich.
Doch warum eigentlich machen sich Bernd Neuschwander, Matthias Schweiker und andere Kollegen regelmäßig auf den Weg in die ARENA2036, wenn es doch digitale Datenräume für den Austausch gibt? Da muss Neuschwander nicht lange überlegen: „Das entscheidende Moment bei gemeinsamen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten ist und bleibt die persönliche Begegnung. Dort entwickelt sich Kreativität, die sehr wertvoll ist. Die Zukunft entsteht im Miteinander.“
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