Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Im Zusammenspiel mit Digitalisierung bewirken beide momentan eine umfassende Transformation der Industrie. Damit die gelingen kann, spielt die sichere Automatisierung eine Schlüsselrolle.
Der verantwortungsvolle Umgang mit Ressourcen steht seit Jahren auf der Agenda vieler Branchen und Unternehmen. Dies resultiert sowohl aus den gesetzlichen Vorschriften und Richtlinien auf nationaler und europäischer Ebene, die umfassende Berichtspflichten auferlegen, als auch aus den Anforderungen, die ein gestiegenes Umweltbewusstsein bei Kunden und Geschäftspartnern stellt. Gleichzeitig entfalten Digitalisierung und Vernetzung in der Industrie zunehmend ihr Potenzial und erhalten durch künstliche Intelligenz einen zusätzlichen Schub.
Krisen wie die Coronapandemie oder Bauteileknappheit sowie politische Krisen und die jüngsten Kriege haben die laufenden Veränderungen bei Digitalisierung und Nachhaltigkeit nochmals beschleunigt. Die Industrie befindet sich in einem Transformationsprozess großen Ausmaßes. Einige Branchen betrifft dieser Wandel stärker als andere, weil ihnen für die Bewältigung der anstehenden Aufgaben eine Schlüsselrolle zukommt.
Schlüsselindustrie Wasserstoff braucht Sicherheit
Wasserstoff besitzt eine hohe Energiedichte und gilt daher als Energieträger der Zukunft. Grüner Wasserstoff wird erzeugt durch Spaltung von Wassermolekülen in Wasserstoff und Sauerstoff mithilfe elektrischer Ströme, die durch erneuerbare Energien erzeugt werden. Mit dem Boom steigen auch die Anforderungen an die funktionale Sicherheit und die Industrial Security.
Denn Wasserstoff birgt – wie alle Brennstoffe – ein Gefahrenpotenzial. Er ist leicht entflammbar und hochexplosiv, auch wenn sich nur geringe Mengen mit Luft vermischen – die Entzündung ist bereits bei einem Luft-Anteil von nur vier Prozent möglich. Es ist also wichtig, Luft und Wasserstoff nicht zusammenkommen zulassen und die Gefahr einer Entzündung durch einen Funken oder Wärme zu vermeiden. Die sichere Produktion, Handhabung und Verwendung erfordert geeignete Sicherheitssysteme.
Sicherheit als Funktion betrachten
Bei sicherheitstechnischen Betrachtungen in der Wasserstoff-Industrie stehen Aspekte wie die Gasdichtheit und Robustheit von Absperreinrichtungen oder die Druckfestigkeit und Dichtigkeit von Rohren, Sensoren oder Ventilen im Fokus. Entsprechend werden Sicherheitsaufgaben klassisch häufig über Materialeigenschaften und mechanisch gelöst: Je robuster beispielsweise Absperrventile sind, desto sicherer sind sie in ihrer Anwendung. Schließlich sind höchste Prozessdrücke, beispielsweise bis 700 bar, in der Wasserstoff-Betankung von Fahrzeugen oder Zügen erforderlich.
„Es bringt Vorteile, Sicherheit nicht ausschließlich auf eine statische Zustandsprüfung zu begrenzen. Erprobte und verfügbare Sicherheitsprinzipien aus der Automatisierungsindustrie und der funktionalen Sicherheit können auch in der Wasserstoff-Industrie eingesetzt werden. Die Lösungen helfen, Sicherheit immer als eine integrierte Funktion von Maschinen, Anlagen und den Zusammenhängen im Prozess zu betrachten“, erklärt Armin Glaser, Vice President Strategy and Cooperation bei Pilz.
So können sichere Automatisierungslösungen zusätzlich zu den klassische Sicherheitsfunktionen weitere Aufgaben übernehmen, beispielsweise die dynamische Druck- und Temperaturüberwachung oder die sichere Einhaltung von Belastungsgrenzen nachgeschalteter Strukturen. Fehlerzustände werden im Millisekundenbereich erkannt und führen zur einer definierten Sicherheitsreaktion. Daneben gewährleistet die Automatisierung auch den ggf. sicheren Datenaustausch und die Visualisierung von Betriebszuständen und Diagnosemeldungen. Ein modernes Steuerungssystem, bestehend aus Hardware, Firmware und dem Engineering-Tool, kann alle Status- und Diagnosedaten liefern, die über Feldbusse oder Industrial Ethernet für andere Geräte lokal oder remote angezeigt werden und auswertbar sind.
„Pilz ist auf dem Weg, das über lange Jahre erarbeitete Wissen über die Anwendungen und Lösungen der funktionalen Sicherheit auch in andere Branchen einzubringen – also quasi ein Know-how-Transfer.“
Armin Glaser, Vice President Strategy and Cooperation
Dank dieser Leistungsfähigkeit und Diagnosemöglichkeiten sind das Automatisierungssystem PSS 4000 und die sichere konfigurierbare Kleinsteuerung PNOZmulti 2 bereits heute die bevorzugte Lösung von Endanwendern wie ArcelorMittal in Belgien im verwandten Bereich Feuerungstechnik oder von Maschinenherstellern wie Bühler Haas in Österreich. Und in Frankreich sorgt das Automatisierungssystem PSS 4000 von Pilz bereits für die Sicherheit bei der Abgabe von Wasserstoff an öffentlichen Tankstellen.
„Pilz ist auf dem Weg, das über lange Jahre erarbeitete Wissen über die Anwendungen und Lösungen der funktionalen Sicherheit auch in andere Branchen einzubringen – also quasi ein Know-how-Transfer“, sagt Armin Glaser mit Blick auf die Zukunft.
Know-how für die Batterieproduktion
Der Elektromobilität gehört die Zukunft. Die Herstellung der Batterien für E‑Autos wird bislang von asiatischen Herstellern dominiert. Expertenschätzungen zufolge kommen 90 Prozent der Maschinen für die Batterieproduktion aus der Region Asia-Pacific.
„Auch wenn in Asien beim Thema Sicherheit andere Anforderungen oder gesetzliche Vorgaben gelten: Wenn die für die Batterieproduktion benötigten Maschinen z. B. in europäischen Fertigungsstätten zum Einsatz kommen sollen, dann ist die CE-Kennzeichnung erforderlich“, erklärt Jimmy Han, der für Pilz in Asien zahlreiche Maschinenbauer und Batterieproduzenten beim Thema sichere Automatisierung unterstützt.
Funktionale Sicherheit ist also obligatorisch. Pilz unterstützt weltweit Maschinenbauer und Betreiber mit Sicherheitstechnik für deren Anlagen und Maschinen. Hinzu kommen umfangreiche Consulting- und Trainingsdienstleistungen, damit dortige Maschinenbauer ihre Anlagen auf den weltweiten Märkten einsetzen dürfen.
Digitalisierung braucht Industrial Security
Zusätzlich zur klassischen Safety beobachtet Han ein zunehmendes Interesse an Industrial Security: Die neuen Fertigungsstätten sind hochvernetzt und digitalisiert. Der Schutz vor Manipulation spielt daher eine große Rolle. „Um Manipulationen vorzubeugen, wollen die Betreiber genau regeln können, wer Zugriff auf die Anlagen hat“, erläutert Jimmy Han. „Unser Identification and Access Management (I.A.M.) bietet Safety und Security in einem System. Von der Authentifizierung von Nutzern über die Betriebsartenwahl, die Daten- und die Netzwerksicherheit bis zum Zugangsmanagement.“ In Fabriken in Asien und Europa kommen die I.A.M.-Lösungen von Pilz bereits zum Einsatz.
Digitale Schiene
Neben der E‑Mobilität ist der öffentliche Personentransport die zweite Säule der angestrebten Mobilitätswende. Für die notwendige Kapazitätssteigerung der Schieneninfrastruktur ist die Digitalisierung und Automatisierung der Signaltechnik eine Grundvoraussetzung. „Dank offener Schnittstellen und Commercial-off-the-Shelf-Lösungen – also standardisierter Produkte – kann Pilz dazu beitragen, bislang proprietäre Anwendungen aufzulösen“, betont Sebastian Lüke, Head of Business Unit Rail bei Pilz.
Die 2022 gegründete, eigenständige Pilz Business Unit hat ihren Fokus auf der Erweiterung des speziell auf die Bahn zugeschnittenen Portfolios und Applikationsengineerings. Inzwischen arbeitet Pilz eng mit Betreibern, Universitäten und anderen Forschungspartnern zusammen, unter anderem im europäischen Forschungsprojekt EULYNX. Dort geht es um die Entwicklung und Bereitstellung einheitlicher Industriestandards für neue modulare Stellwerkstechnik. Große Projekte wie etwa die Digitalisierung der Kommunikationsinfrastruktur in Schweden zeigen auf, welchen Beitrag sichere Automatisierungslösungen aus der Industrie auch auf und neben der Schiene leisten können.