Lisa Reehten, Bosch Climate Solutions und Jan Falb, Referent Umweltschutz bei Pilz im Interview über Nachhaltigkeit.
Frau Reehten, früher ging es in den Produktionen um Qualität und Output. Jetzt rücken Themen wie Nachhaltigkeit und Energieeffizienz in den Fokus. Passt das überhaupt zusammen?
Lisa Reehten: Ja. Es tut sich was, wenn auch je nach Unternehmen in unterschiedlicher Dimension und mit unterschiedlicher Konsequenz. Viele größere Unternehmen haben inzwischen eine Klimastrategie. Im Vordergrund stehen meist die verschiedenen Emissionen und wie man die reduzieren kann. Damit sind wir bei CO2-Reduktion und Energieeffizienz. Das scheint für viele neu, wenngleich Effizienzdiskussionen ein bekanntes Thema in der Produktion sind.
Herr Falb, wie ist das Thema Nachhaltigkeit bei Pilz verankert?
Jan Falb: Wir haben die Themen bereits lange auf der Agenda, zum Beispiel nutzen wir seit 10 Jahren Managementsysteme im Bereich Energie- und Umweltmanagement. Und wir konnten bereits Projekte umsetzen, sei es die Analyse der Transportwege oder der Einkauf von CO2-neutralem Strom.

„Wir nutzen seit 10 Jahren Managementsysteme im Bereich Energie- und Umweltmanagement.“
Jan Falb, Referent Umweltschutz bei Pilz
Frau Reehten, was sind denn die Haupttreiber für Emissionen?
Lisa Reehten: Ein produzierendes Unternehmen, wie etwa ein Maschinenbauer, verursacht auf der einen Seite Unternehmensemissionen, z. B. im Fuhrpark oder durch die eingekaufte Energie. Wichtig ist jedoch, zu verstehen, dass der Großteil der Emissionen, nämlich 80 bis 90 Prozent, in der Wertschöpfungskette entsteht. Dazu gehört neben der Herstellung auch der Betrieb der gebauten Maschinen nach der Auslieferung beim Kunden. Das ist vielen Unternehmen gar nicht bewusst.
Verstehe ich das richtig: Der CO2 ‑Fußabdruck des Maschinenbauers hängt also zu einem großen Teil davon ab, wie effizient die Maschinen betrieben werden?
Lisa Reehten: Richtig. Faktoren sind etwa, mit welcher Art von Strom – grau oder grün – die Maschine betrieben wird. Oder wie effizient arbeitet die Maschine an sich und wie effizient kann sie betrieben werden? Verfügt die Maschine beispielsweise über ein automatisches Abschaltmanagement?
Herr Falb, können Sie einen Einblick geben, wie das in der Praxis aussieht?
Jan Falb: In einer Bachelorarbeit vor zwei Jahren haben wir den CO2-Fußabdruck eines Produktes über den gesamten Lebenszyklus untersucht. Da haben wir auf der einen Seite natürlich das Gehäuse: Es besteht aus Polycarbonat, dessen Herstellung CO2 verursacht. Aber auf der anderen Seite wurde ebenfalls deutlich, welchen immensen Effekt das Thema Energieeffizienz hat. Unsere Produkte sind ja auf eine lange Lebensdauer ausgelegt – wir reden hier über 10, 20 oder auch mehr Jahre. Und dann werden Themen wie der Stromverbrauch wichtig. Die verwendeten Werkstoffe und der Herstellprozess spielen tatsächlich eher eine Nebenrolle.
Die Analyse, wo wir optimieren können, ist heute eine wichtige Aufgabe in unserer Entwicklung. Das Ziel: energieeffizientere Geräte, um unseren Kunden zu helfen, ihre Emissionen zu minimieren.
Neben dem Umweltschutz umfasst Nachhaltigkeit auch die Themen Soziales und Unternehmensführung. Wie passt das zu Pilz?
Jan Falb: Diese Themen passen sehr gut zu uns. Denn beim Aspekt Soziales geht es nicht nur um die eigenen Mitarbeiter und deren Wohlergehen und Schutz, sondern auch um die Menschen, die an der Wertschöpfungskette beteiligt sind. Also achten wir auch auf das Wohlergehen der Mitarbeiter unserer Lieferanten.
Das Besondere bei Pilz ist jedoch, dass wir durch unsere Produkte Menschen schützen. Denn die sorgen schließlich für die Sicherheit in den Fabrikhallen und haben damit einen deutlichen Mehrwert für unsere Kunden oder auch deren Kunden.
Zum Aspekt Governance gehören die Grundsätze oder der Ordnungsrahmen in einem Unternehmen. Hier haben wir natürlich unseren „Code of Conduct“. Die Basis dafür legen wiederum die seit Jahrzehnten gültigen Leitbilder und Werte unseres Familienunternehmens, die den ethischen Umgang im Innen- und Außenverhältnis in den Mittelpunkt stellen.
Frau Reehten, viele Unternehmen handeln bereits seit Jahren nachhaltig. Die nun geforderten Berichtspflichten werden als zusätzliche, eigentlich unnötige Belastung empfunden, die auch noch Geld kostet.
Lisa Reehten: Diese Stimmen höre ich leider oft. Und dann sage ich: „Ja, es verursacht Aufwand und Kosten. Aber welches Thema in Ihrem Unternehmen kostet denn kein Geld?“ Nebenbei gesagt werden die Dimensionen, um die es geht, meist deutlich überschätzt. Und: Es ist eine Investition in die Zukunftsfähigkeit Ihres Unternehmens!
Können Sie das erläutern?
Lisa Reehten: Regelmäßig kommen Unternehmen zu uns, die händeringend Unterstützung benötigen, weil sie als Lieferant von einem großen Kunden ausgelistet wurden; eben weil sie die geforderten Nachweise oder Kriterien beim Thema Nachhaltigkeit nicht erfüllen. Dann steht der Umsatz auf dem Spiel. Und wenn ich dann unter Zugzwang bin, dann wird es wirklich anstrengend: In sechs Wochen muss nachgeholt werden, was die letzten Jahre nicht getan wurde. Das Thema Nachhaltigkeit wird bleiben. Es macht also keinen Sinn, jetzt noch einen Tag länger zu warten, wenn man noch nicht angefangen hat.
Und wie groß ist der Aufwand denn nun wirklich, die geforderten Berichtspflichten zu erfüllen?
Lisa Reehten: Wie jede neue Auflage stresst natürlich der Nachhaltigkeitsbericht Unternehmen – vor allem aber die, die bislang nichts gemacht haben oder das Thema stiefmütterlich behandelt haben! Der Stress lässt sich aber durch pragmatisches Herangehen deutlich senken. Also nicht gleich nach Perfektion streben und jedes Detail erfassen wollen. Besser ist es, die Aufgabe in kleine Teile zu zerlegen. Wenn der Einstieg geschafft ist, dann wird es leichter. Und natürlich ist der Aufwand beim ersten Bericht am größten, beim zweiten Mal wird es viel einfacher gehen – insbesondere, wenn man sich mit anderen Unternehmen austauscht.
Jan Falb: Zu Beginn ist der Aufwand tatsächlich groß. Deshalb haben wir uns Unterstützung durch das Team von Bosch Climate Solutions ins Haus geholt. Alleine wäre das nicht machbar gewesen. So haben wir einen Berater, wie wir am effizientesten durchkommen.
Wir haben uns zunächst mit unseren Wirtschaftsprüfern abgestimmt, um die Erwartungshaltung abzuklären. Und kürzlich haben wir die Wesentlichkeitsanalyse abgeschlossen. Jetzt wissen wir, welche Themen tatsächlich relevant für uns sind. Und an deren Bearbeitung machen wir uns nun.

„Es geht beim Thema Nachhaltigkeit nicht darum, nur Daten zu generieren und einen Report zu generieren. Sinn und Zwecke ist, etwas zu verändern!“
Lisa Reehten, Bosch Climate Solutions
Lisa Reehten: Eines möchte ich hier ergänzen: Es geht ja beim Thema Nachhaltigkeit nicht darum, nur Daten zu generieren und einen Report zu generieren. Sinn und Zwecke ist ja, etwas zu verändern!
Wie schaffen es Unternehmen, das Thema Nachhaltigkeit zu verankern? Reicht es, einen Verantwortlichen zu benennen?
Lisa Reehten: Nein, denn das Thema ist sehr vielfältig. Es braucht alle und es betrifft jeden Bereich! Deshalb muss man die Mitarbeiter mitnehmen. Sinn macht es, in den Abteilungen Ansprechpartner zu haben und so ein Netzwerk aufzubauen mit Leuten, die auch das Know-how haben. Und schließlich muss das Thema durch die Geschäftsleitung getragen werden.
Positiver Nebeneffekt: Das Unternehmen lernt sich ganzheitlicher und transparenter kennen. Das kann ich immer wieder beobachten.
Herr Falb, zum Schluss: Was raten Sie den Sicherheits- und Nachhaltigkeitsverantwortlichen in Unternehmen?
Jan Falb: Ein dickes Fell und Durchhaltekraft (lacht). Es ist kein Selbstläufer, gerade wenn das Thema neu im Unternehmen ist. Aber es macht auch ganz viel Spaß, weil man mit so vielen Leuten in Kontakt kommt und das Unternehmen selbst viel besser kennenlernt. Die Arbeit ist sehr abwechslungsreich und ich kann den Job jedem ans Herz legen.