Klaus Dürr ist Normenspezialist bei Pilz. Als Vice President der Standards Group ist er für die Koordination und Organisation der nationalen und internationalen Normungsaktivitäten verantwortlich und trägt dieses wichtige Wissen ins Unternehmen. Im Gespräch erzählt er, welche Normen ihn momentan beschäftigen und welche Trends er beobachtet, und er verrät, ob Normen einen weltweiten gemeinsamen Nenner haben.
Klaus Dürr, Sie arbeiten in 16 Normengremien an der Ausgestaltung von Normen mit. Woran arbeiten Sie momentan?
Aktuell sind beispielsweise die Industrieroboternormen ISO 10218 (Robotics – Safety requirements – Part 1: Industrial robots und Part 2: Industrial robot systems, robot applications and robot cells) in der Überarbeitung. Die Arbeit daran ist unter Coronabedingungen und mit den verschiedenen Zeitzonen gar nicht so leicht. Wir haben es in der internationalen Arbeitsgruppe jedoch geschafft, konsequent die EHSR (Essential health and safety requirements) der Maschinenrichtlinie einzuarbeiten. Das ist die Voraussetzung dafür, dass die ISO später als EN ISO (Europäische Norm) quasi ohne Änderungen übernommen werden kann und eine Harmonisierung mit der Maschinenrichtlinie möglich ist. Das erleichtert ihre flächendeckende Umsetzung ganz wesentlich. Auch an der Überarbeitung der IEC 62046 (Safety of machinery – Application of protective equipment to detect the presence of persons) sind wir gerade dran.
Und was machen Sie, wenn Sie gerade mal nicht in einem Normengremium sitzen?
Tatsächlich ist bei fünf nationalen und elf internationalen Normengremien das Vor- und Nachbereiten der Sitzungen relativ zeitaufwendig. Schließlich möchte ich mit meiner Arbeit wirklich etwas bewegen und konkrete Vorschläge vorlegen, die der Industrie helfen. Außerdem kümmere ich mich darum, dass unsere interne Normendatenbank bei Pilz immer auf dem aktuellen Stand ist. Das Arbeiten mit aktuellen Normen ist für uns als sicherer Automatisierer essenziell wichtig. Ich filtere Informationen rund um Normen, Normenvorhaben und Normentrends. Die Kunst dabei ist, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen und zu entscheiden, welche Informationen belastbar sind.
Werden denn überhaupt weitere Normen benötigt?
Ja, die Zahl der neuen Normenvorhaben nimmt sogar stark zu. Mehr Normenvorhaben bedeuten aber auch einen höheren Expertenbedarf in den Gremien. Doch Experten sind rar und mit ihren originären Aufgaben in den Unternehmen bereits gut beschäftigt. Unternehmen in der EU müssen außer für die Arbeitszeit auch für die Reisekosten der Mitarbeiter in den Normengremien aufkommen. Hier sind andere Länder wie beispielsweise China im Vorteil. Dank staatlicher Förderung fällt es leichter, Experten zu entsenden.
Wenn wir gerade in die Welt blicken: Gibt es aus Ihrer Sicht so etwas wie einen weltweiten gemeinsamen Nenner bei Normen? Würde das Leben dadurch nicht leichter?
Definitiv, denn was gäbe es Besseres als eine Norm, die quasi weltweit anerkannt würde und bei der alle die gleichen Vorgaben erfüllen müssten. Allerdings ist das schwierig, weil die wirtschaftlichen Interessen, Märkte und Kulturen doch unterschiedlich sind. Aber nicht selten stellt man nach der Normensitzung beim gemeinsamen Abendessen fest, wie viele Gemeinsamkeiten es doch gibt, und man lernt die Perspektive der anderen Kollegen besser kennen. Die meisten Experten in den internationalen Normengremien machen eine gute Arbeit, um Normen so zu erarbeiten, dass sie keine Technologie ausbremsen. Doch von einem weltweiten funktionierenden Fundament sind wir noch weit entfernt.