Im Interview mit Thomas Braasch, Key Account Manager bei Pilz.
Welche Rolle spielt Wasserstoff für die Energieversorgung?
Grüner Wasserstoff wird zukünftig eine wichtige Rolle bei der Energieversorgung spielen. Beim Übergang zu einer nachhaltigen Energieversorgung hat er eine Schlüsselrolle in Bezug auf die Energiewende und Klimaneutralität. Der Energieträger kommt beispielsweise in der Industrie bei der Stahlerzeugung, der Glasindustrie, bei der Mobilität als Treibstoff von Transportfahrzeugen oder bei der Rückverstromung zum Einsatz.
Welche Risiken sind mit der Nutzung von Wasserstoff verbunden?
Wasserstoff bringt einige Sicherheitsrisiken mit sich, da es sich um ein hochentzündliches, farb- und geruchloses Gas handelt. Hauptgefahren sind Leckagen, die zu Bränden oder Explosionen führen können. Kommt es zu Unfällen bei der Produktion, dem Transport oder der Nutzung, entstehen erhebliche Folgen für Mensch, Anlage und Umwelt.
„Es ist absehbar, dass sich skalierbare und modulare aufgebaute Systeme durchsetzen – neben dem Anlagenbau auch in der Hard- und Softwarearchitektur des Sicherheitssystems.“
Thomas Braasch, Key Account Manager
Welche gesetzlichen Vorschriften und Normen gibt es für den sicheren Umgang mit Wasserstoff?
Es gibt zahlreiche internationale und nationale Normen, wie z. B. die ISO 19880–1 für Wasserstofftankstellen und die IEC 60079 für explosionsgefährdete Bereiche. Diese Normen legen Anforderungen an die Konstruktion, Installation und den Betrieb von Wasserstoffanlagen fest. Dazu kommt der Cyber Resilience Act, der als EU-Verordnung ein Mindestmaß an Cybersicherheit für alle vernetzten Produkte auf dem EU-Markt festlegt. Er wird ab 2027 vollständig angewendet.
Welche Rolle spielt sichere Automatisierungstechnik im Umgang mit Wasserstoff?
Viele Anwender und Hersteller verstehen die Sicherheit bei Wasserstoff primär als Thema der Robustheit und Dichtheit der eingesetzten Komponenten. Es gehört jedoch noch wesentlich mehr dazu: Sichere Automatisierungslösungen stellen bewährte Lösungen für die sichere und dynamische Überwachung von Prozessgrößen sowie von ganzen Prozessabläufen bereit. Gleichzeitig werden Anforderungen nach dem Bedienerschutz, der Zugangsberechtigung und von OT-Security-Maßnahmen immer wichtiger – nicht zuletzt durch die Anforderungen an die Versorgungskette, Stichwort „kritische Infrastruktur“, den Vorgaben der NIS2 und der kommenden Maschinenverordnung.
„Mit der zunehmenden digitalen Vernetzung von Anlagen und Systemen in der Wasserstoffproduktion, ‑speicherung und ‑anwendung in der Industrie wird Industrial Security immer wichtiger.“
Thomas Braasch, Key Account Manager
Welche Lösungen bietet Pilz?
Sicherheitssteuerungen, wie PNOZmulti 2 oder das Automatisierungssystem PSS 4000, haben sich bereits bei Anwendungen in der Wasserstoffindustrie bewährt, beispielsweise bei Wasserstofftankstellen, Elektrolyseuren und Speicheranlagen. Die Steuerungssysteme von Pilz erkennen Gaslecks zuverlässig durch die Auswertung von Gasdetektoren und überwachen sicher dynamische Grenzwerte wie Temperatur, Druck, Füllstand, Spannung, Strom, aber auch digitale Signale wie Not-Halt. Des Weiteren bieten Pilz Sicherheitssteuerungen eine hohe Messgenauigkeit bei Analogwerten, die sicherheitstechnisch ausgewertet werden müssen. Das hat hohe Relevanz, vor allem bei der Überwachung von Systemdrücken mit einem Messbereich über 100 Bar. So können Wasserstoffanwendungen nicht nur sicher, sondern auch wirtschaftlich umgesetzt werden. Außerdem bieten wir Lösungen zum Thema Zugangsmanagement und Industrial Security.
Welche Bedeutung hat Industrial Security?
Mit der zunehmenden digitalen Vernetzung von Anlagen und Systemen in der Wasserstoffproduktion, ‑speicherung und ‑anwendung in der Industrie wird Industrial Security immer wichtiger. Im Fokus stehen dabei der Schutz von Anlagendaten und die Kontrolle darüber, wer Zugriff auf die Prozesse hat. Wenn nur autorisierte und qualifizierte Personen an den Anlagen arbeiten dürfen, sinkt das Risiko von Fehlbedienungen und Manipulationen.
„Die Wasserstoffindustrie steht vor großen Herausforderungen, aber auch vor großen Chancen.“
Thomas Braasch, Key Account Manager
Wie sieht eine Industrial-Security-Lösung aus?
Lösungen sind immer individuell abhängig von der Applikation. Grundsätzlich unterstützt das Pilz Identification and Access Management bei der Authentifizierung von Nutzern über die Betriebsartenwahl oder der Daten- und Netzwerksicherheit, bis zum Zugangsmanagement. Des Weiteren schützt die Industrie-Firewall Security Bridge das eingesetzte Steuerungsnetzwerk vor Manipulationen durch unbefugte Zugriffe. Die Online-Verbindung erfolgt dabei über eine VPN-Verbindung mit rollenbasierter Benutzerverwaltung.
Welche Entwicklungen erwarten Sie in Zukunft?
Technologische Innovationen, besonders in der Elektrolyse und bei Brennstoffzellen, werden sicherlich weiter voranschreiten. Auch im Bereich der Speicherung und des Transports von Wasserstoff wird es Zukunft einige Innovationen geben. Die Investitionen werden weiter steigen, vor allem im Hinblick auf die Erreichung der Klimaziele. Bislang fehlt es allerdings an regulatorischen Rahmen für den Ausbau der Transport- und Verteilinfrastruktur. Hier ist – ähnlich wie früher bei der Maschinensicherheit – noch Pionierarbeit erforderlich. Insgesamt steht die Wasserstoffindustrie vor großen Herausforderungen, aber auch vor großen Chancen. Es ist absehbar, dass sich skalierbare und modular aufgebaute Systeme durchsetzen – neben dem Anlagenbau auch in der Hard- und Softwarearchitektur des Sicherheitssystems.